
Zusammenfassend:
- Echte Naturkosmetik wird durch zertifizierte Siegel wie NATRUE, BDIH oder COSMOS definiert, nicht durch Werbeversprechen wie „naturnah“.
- Preisunterschiede zwischen Drogerie- und Markenprodukten erklären sich oft durch die Konzentration und Qualität der Wirkstoffe, nicht nur durch Marketing.
- Eine anfängliche Hautverschlechterung ist oft ein positives Zeichen für den „Neustart“ der Haut, die sich von Silikonen und Mineralölen entwöhnt.
- Die richtige, meist kühle Lagerung ist entscheidend, da natürliche Konservierungssysteme empfindlicher sind als synthetische.
Sie stehen in der Drogerie, das Regal ist voller Verheißungen: „pure Natur“, „mit Bio-Extrakten“, „frei von Chemie“. Grüne Blätter zieren die Verpackungen, alles wirkt gesund und vertrauenswürdig. Doch im Kleingedruckten, der INCI-Liste, lauert ein Dschungel aus Fachbegriffen, der selbst Wohlmeinende ratlos zurücklässt. Der Wunsch nach reiner, wirksamer Pflege ohne bedenkliche Inhaltsstoffe ist groß, doch die Verwirrung ist es ebenso. Man greift schließlich zu einem Produkt, das sich gut anfühlt, aber die Frage bleibt: Ist das wirklich die bessere Wahl für meine Haut und die Umwelt?
Die deutsche Tradition der Reformhäuser hat einen fruchtbaren Boden für eine kritische Auseinandersetzung mit Inhaltsstoffen geschaffen und Deutschland zu einem Vorreiter in der Naturkosmetik gemacht. Doch dieser Vorsprung wird zunehmend durch geschicktes „Greenwashing“ untergraben. Die üblichen Ratschläge, wie „lesen Sie die Inhaltsstoffe“, sind für den Laien im Alltag kaum praktikabel. Aber was, wenn der Schlüssel zum Vertrauen nicht in vagen Versprechen, sondern in nachprüfbaren Standards und den Grundlagen der Biochemie liegt? Was, wenn das Verständnis weniger Prinzipien ausreicht, um in Sekunden eine fundierte Entscheidung zu treffen?
Als Bio-Chemiker und Kosmetikentwickler nehme ich Sie mit hinter die Kulissen der Formulierungen. Dieser Artikel ist kein weiterer simpler Siegel-Vergleich. Er ist eine wissenschaftlich fundierte Anleitung, die Ihnen die Werkzeuge an die Hand gibt, um Versprechen von Fakten zu trennen. Wir werden entschlüsseln, warum sich Ihre Haut anfangs verschlechtern kann, was wirklich den Preisunterschied ausmacht und wie Sie mit einfachen Mitteln aus Ihrer Küche erstaunliche Ergebnisse erzielen können. Am Ende werden Sie nicht nur Siegeln vertrauen können, sondern vor allem Ihrem eigenen, geschulten Urteil.
Um Ihnen einen klaren Weg durch diesen Informationsdschungel zu bieten, ist dieser Artikel systematisch aufgebaut. Jeder Abschnitt beantwortet eine der drängendsten Fragen, mit denen Konsumenten konfrontiert sind, und liefert Ihnen direkt anwendbares Wissen.
Inhaltsverzeichnis: Ihr Wegweiser zur echten Naturkosmetik
- Was ist der entscheidende Unterschied zwischen „naturnah“ und „zertifizierter Naturkosmetik“?
- Warum verschlechtert sich Ihre Haut oft in den ersten 2 Wochen nach dem Wechsel auf Bio-Produkte?
- Ist die günstige Naturkosmetik aus der Drogerie genauso wirksam wie die teure Markenware?
- Der Fehler bei der Lagerung von Bio-Cremes ohne Konservierungsstoffe, der sie ranzig werden lässt
- Welche 3 Zutaten aus Ihrer Küche wirken besser als manche teure Bio-Maske?
- Welche 3 festen Produkte ersetzen 10 Plastikflaschen, ohne dass Sie auf Komfort verzichten?
- Was passiert genau beim „Belaugen“ und ist Natronlauge gefährlich für den Magen?
- Wie entlarven Sie „Greenwashing“ auf Kosmetikverpackungen in weniger als 30 Sekunden?
Was ist der entscheidende Unterschied zwischen „naturnah“ und „zertifizierter Naturkosmetik“?
Der wohl wichtigste Grundsatz lautet: Der Begriff „Naturkosmetik“ oder „naturnah“ ist rechtlich nicht geschützt. Jeder Hersteller kann seine Produkte so bezeichnen, selbst wenn sie nur einen minimalen Anteil an pflanzlichen Inhaltsstoffen enthalten und gleichzeitig Silikone, Parabene oder Mineralöle. Diese Begriffe sind reines Marketing. Die einzig verlässliche Orientierung bietet zertifizierte Naturkosmetik. Hier garantieren unabhängige Organisationen durch ein Siegel auf der Verpackung, dass strenge Kriterien eingehalten werden. Dazu gehören der Verzicht auf synthetische Duft-, Farb- und Konservierungsstoffe, Silikone, Paraffine und andere Erdölprodukte.
Die Siegel definieren genau, welche Rohstoffe erlaubt sind, wie sie verarbeitet werden dürfen und legen oft auch Wert auf umweltfreundliche Verpackungen und ethische Produktionsweisen. In Deutschland hat dieser Sektor eine beachtliche Größe erreicht; zertifizierte Naturkosmetik macht bereits über 10 Prozent des Marktes aus, was einem Umsatz von 1,35 Milliarden Euro entspricht. Das zeigt, dass es sich um einen etablierten und kontrollierten Sektor handelt, nicht um eine Nische.
Doch auch zwischen den Siegeln gibt es Unterschiede in der Philosophie und Strenge, wie eine aktuelle Analyse der Verbraucherzentrale verdeutlicht. Die wichtigsten Standards im deutschen Markt lassen sich wie folgt vergleichen:
| Siegel | Gründung | Philosophie | Bio-Anteil erforderlich |
|---|---|---|---|
| BDIH | 2001 | Reformhaus-Bewegung, Verbraucherschutz | Bestimmte Rohstoffe aus Bio-Anbau |
| NATRUE | 2007 | Internationaler strenger Standard | Naturkosmetik: 0%, Biokosmetik: 95% |
| COSMOS | 2010 | Europäische Harmonisierung | Natural: 0%, Organic: 95% |
| Demeter | – | Biodynamischer Anbau | 90% Demeter-Qualität |
Während BDIH aus der deutschen Reformhaus-Bewegung stammt und einen starken Fokus auf Verbraucherschutz legt, ist NATRUE ein international anerkannter, sehr strenger Standard, der klar zwischen Natur- und Biokosmetik unterscheidet. Das Demeter-Siegel geht noch einen Schritt weiter und fordert einen extrem hohen Anteil an Rohstoffen aus biodynamischem Anbau, was es zum strengsten Siegel macht. Die Kenntnis dieser Siegel-Hierarchie ist der erste und wichtigste Schritt zur kompetenten Kaufentscheidung.
Warum verschlechtert sich Ihre Haut oft in den ersten 2 Wochen nach dem Wechsel auf Bio-Produkte?
Viele erleben nach dem Umstieg auf Naturkosmetik eine frustrierende Phase: Die Haut wird unrein, trocken oder fettig. Dies wird oft fälschlicherweise als Unverträglichkeit interpretiert, dabei handelt es sich in den meisten Fällen um einen positiven Prozess: einen Haut-Mikrobiom-Reset. Konventionelle Kosmetik enthält häufig Silikone und Mineralöle, die einen abdichtenden Film auf die Haut legen. Dieser lässt die Haut zwar kurzfristig glatt und weich erscheinen, hindert sie aber an ihrer natürlichen Regulation. Die Talgproduktion wird gestört und die Haut wird „trainiert“, passiv zu sein.
Wenn dieser Film wegfällt, muss die Haut ihre Eigenfunktion wieder hochfahren. Sie beginnt, angestaute Unreinheiten auszuscheiden und ihre Talgproduktion neu zu justieren. Dieser Prozess kann zu einer vorübergehenden Erstverschlimmerung führen. Der natürliche Erneuerungszyklus der Haut dauert etwa 28 Tage. Geben Sie ihr diese Zeit, um sich umzustellen und ihr Gleichgewicht wiederzufinden.

Wie die Makroaufnahme zeigt, ist die Haut ein lebendiges Organ mit einer komplexen Struktur. Die Umstellung ist ein aktiver Prozess, bei dem die Poren wieder lernen, frei zu atmen und zu funktionieren. Um diese Phase so sanft wie möglich zu gestalten, empfiehlt sich eine schrittweise Umstellung. Tauschen Sie nicht alle Produkte auf einmal aus, sondern integrieren Sie neue Produkte nach und nach in Ihre Routine.
Ein bewährter Fahrplan kann dabei helfen, die Haut nicht zu überfordern:
- Woche 1: Nur die Reinigung auf Naturkosmetik umstellen. Beobachten Sie, wie Ihre Haut reagiert, während Sie Ihre gewohnte Pflege weiterhin verwenden.
- Woche 2: Zusätzlich die Tagescreme wechseln. Die alte Nachtpflege sorgt weiterhin für Stabilität und gibt der Haut Zeit, sich an die neue Tagespflege zu gewöhnen.
- Woche 3: Nun auch die Nachtcreme austauschen. Dokumentieren Sie Ihr Hautbild, um die positiven Veränderungen nach der Anpassungsphase bewusst wahrzunehmen.
- Woche 4: Ergänzen Sie bei Bedarf Spezialprodukte wie Seren oder Masken. Ihre Haut hat sich nun an die Grundlagen gewöhnt und ist bereit für intensive Wirkstoffe.
Ist die günstige Naturkosmetik aus der Drogerie genauso wirksam wie die teure Markenware?
Die Frage nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis ist zentral, insbesondere da Drogeriemärkte mit 65 % Marktanteil den Vertrieb von Naturkosmetik dominieren. Grundsätzlich gilt: Ein Siegel wie NATRUE oder BDIH garantiert einen Mindeststandard, egal ob das Produkt 3 oder 30 Euro kostet. Sie können sich darauf verlassen, dass keine verbotenen synthetischen Stoffe enthalten sind. Der Unterschied liegt jedoch oft im Detail, genauer gesagt in der Wirkstoffkonzentration und -qualität.
Günstigere Produkte verwenden oft preiswertere Basisöle (wie Soja- oder Sonnenblumenöl) und geringere Konzentrationen an teuren Spezialwirkstoffen wie Granatapfelsamenöl oder Hyaluronsäure. Teurere Marken investieren hingegen in höherwertige Trägeröle (z.B. Argan- oder Wildrosenöl), komplexere Extraktionsverfahren, die mehr Pflanzenstoffe bewahren, und eine signifikant höhere Konzentration der aktiven Ingredienzen. Zudem spielen Herkunft und Anbau der Rohstoffe eine Rolle – biodynamisch angebaute Pflanzen (Demeter-Qualität) sind teurer, sollen aber eine höhere Vitalität und Wirksamkeit aufweisen. Dieser Unterschied in der Formulierung kann sich in der Langzeitwirkung und im Pflegeerlebnis deutlich bemerkbar machen.
Fallbeispiel: Weleda vs. Lavera: Premium gegen Drogeriemarkt
Die Schweizer Weleda AG, mit einem Jahresumsatz von 429 Millionen Euro, ist ein Paradebeispiel für das Premium-Segment. Das Unternehmen setzt auf biodynamische Rohstoffe und vertreibt seine Produkte in über 50 Ländern, was eine aufwendige Logistik und Forschung erfordert. Lavera hingegen positioniert sich mit 95 Millionen Euro Umsatz erfolgreich im preisbewussteren Drogeriemarkt-Segment. Lavera macht zertifizierte Naturkosmetik für eine breite Masse zugänglich, während Weleda einen holistischeren, anthroposophischen Ansatz mit exklusiveren Rohstoffen verfolgt.
Die Beliebtheit der Drogerie-Eigenmarken ist ungebrochen, wie auch externe Analysen bestätigen. So hält das Statista Research Department in einer Marktanalyse fest:
Die bekannteste und meistgekaufte Naturkosmetikmarke in Deutschland ist Kneipp, gefolgt von Weleda. Hinter den beiden bekannten Unternehmen folgt die Marken alverde, die Naturkosmetikeigenmarke der Drogeriekette dm.
– Statista Research Department, Statista Marktanalyse Naturkosmetik
Für den Einstieg oder die Basispflege kann ein günstiges, zertifiziertes Produkt aus der Drogerie absolut ausreichend sein. Wer jedoch gezielte Hautprobleme angehen oder eine maximale Anti-Aging-Wirkung erzielen möchte, findet bei den teureren Marken oft die potenteren und komplexeren Formulierungen.
Der Fehler bei der Lagerung von Bio-Cremes ohne Konservierungsstoffe, der sie ranzig werden lässt
Ein häufiger Frustmoment bei Naturkosmetik: Die teure Creme riecht plötzlich seltsam, verändert ihre Konsistenz oder wird ranzig, lange vor dem offiziellen Haltbarkeitsdatum. Der Grund liegt in der Formulierungsstabilität. Entgegen einem weit verbreiteten Mythos ist zertifizierte Naturkosmetik nicht völlig frei von Konservierungsstoffen. Sie verzichtet lediglich auf synthetische Varianten wie Parabene und setzt stattdessen auf natürliche Konservierungssysteme.
Diese natürlichen Systeme sind jedoch wesentlich empfindlicher gegenüber äußeren Einflüssen wie Wärme, Licht und Sauerstoff. Ein Badezimmer, das sich durch heißes Duschen regelmäßig aufheizt und abkühlt, ist oft der ungünstigste Ort für die Lagerung dieser empfindlichen Produkte. Insbesondere Produkte mit einem hohen Wasseranteil und reichhaltige Öle können schnell kippen.
Zertifizierte Naturkosmetik ist nicht konservierungsmittelfrei, sondern nutzt natürliche Konservierungssysteme wie Alkohol in geringer Konzentration, ätherische Öle, Vitamin E/Tocopherol oder Pentylene Glycol aus pflanzlichen Quellen. Diese sind empfindlicher als synthetische Konservierungsstoffe, weshalb die richtige Lagerung entscheidend ist.
– Experten von Shop-Naturpur, Blog Naturkosmetik-Siegel
Um die Haltbarkeit und Wirksamkeit Ihrer Produkte zu maximieren, ist eine angepasste Lagerung unerlässlich. Einige Produkte profitieren enorm von der Kühle des Kühlschranks, während es für andere schädlich sein kann. Die folgende Liste gibt eine klare Orientierung:
- Im Kühlschrank lagern: Hochkonzentrierte Vitamin-C-Seren (sehr oxidationsempfindlich), Augencremes (der Kühleffekt hilft gegen Schwellungen), reine Pflanzenöle (verlangsamt das Ranzigwerden) und reines Aloe-Vera-Gel.
- NICHT kühlen: Öl-Wasser-Emulsionen (klassische Cremes) können sich bei Kälte trennen, was die Formulierung zerstört. Feste Körperbutter kann zu hart werden und lässt sich nicht mehr gut auftragen.
- Immer kühl und dunkel lagern: Alle Produkte mit einem hohen Wasseranteil, die ohne starke synthetische Konservierung auskommen. Ein kühles Schlafzimmer ist oft besser geeignet als das Bad.
- Optional kühl: Gesichtsmasken können für einen zusätzlichen erfrischenden und beruhigenden Effekt im Kühlschrank aufbewahrt werden, insbesondere im Sommer.
Welche 3 Zutaten aus Ihrer Küche wirken besser als manche teure Bio-Maske?
Die Faszination der Naturkosmetik liegt in der Kraft pflanzlicher und natürlicher Wirkstoffe. Manchmal finden sich die effektivsten Helfer jedoch nicht im Tiegel, sondern direkt in unserer Küche. Bevor Sie in teure Spezialmasken investieren, lohnt sich ein Blick in den Vorratsschrank. Drei einfache Zutaten entfalten eine erstaunliche kosmetische Wirkung, die wissenschaftlich gut erklärbar ist und oft mit der von kommerziellen Produkten mithalten kann.
Diese DIY-Anwendungen sind nicht nur kostengünstig, sondern geben Ihnen auch die volle Kontrolle über die Inhaltsstoffe – frischer und reiner geht es nicht. Honig, Quark und Haferflocken sind die unbesungenen Helden der natürlichen Hautpflege. Ihre Wirkung basiert nicht auf Esoterik, sondern auf nachweisbaren biochemischen Eigenschaften, die in der Kosmetikindustrie gezielt nachgebaut werden.

Der direkte Vergleich zeigt, wie Inhaltsstoffe aus der Küche als natürliche Gegenstücke zu hochgelobten kosmetischen Wirkstoffen fungieren:
| Küchenzutat | Wirkstoff | Kosmetische Wirkung | Vorsicht bei |
|---|---|---|---|
| Honig | Glucose-Oxidase | Antibakteriell, feuchtigkeitsspendend | Allergie gegen Bienenpollen |
| Quark | Milchsäure (AHA) | Sanftes Peeling, pH-regulierend | Laktoseintoleranz (Hautreaktion möglich) |
| Haferflocken | Avenanthramide, Beta-Glucan | Entzündungshemmend, beruhigend | Glutensensitivität |
Eine Maske aus Quark und Honig kombiniert das sanfte Peeling der Milchsäure (eine Alpha-Hydroxysäure, kurz AHA) mit der antibakteriellen und feuchtigkeitsbindenden Wirkung des Honigs – ideal bei unreiner oder fahler Haut. Fein gemahlene Haferflocken, mit etwas warmem Wasser zu einer Paste verrührt, sind eine Wohltat für gereizte und juckende Haut. Die enthaltenen Avenanthramide sind potente Entzündungshemmer, während Beta-Glucan die Hautbarriere stärkt. Diese einfachen, aber wirkungsvollen Rezepte sind der beste Beweis für die pure Kraft der Natur.
Welche 3 festen Produkte ersetzen 10 Plastikflaschen, ohne dass Sie auf Komfort verzichten?
Der Wunsch nach Nachhaltigkeit treibt viele zur Naturkosmetik. Ein riesiger Hebel zur Müllvermeidung liegt in festen Produkten, die auf Wasser als Hauptinhaltsstoff verzichten und somit keine Plastikverpackung benötigen. Die Ersparnis ist enorm: Ein einziges festes Shampoo ersetzt laut Verbraucherzentrale zwei bis drei Flaschen Flüssigshampoo. Mit nur drei Umstellungen im Badezimmer lässt sich der Plastikmüll drastisch reduzieren, ohne auf das gewohnte Pflegeerlebnis verzichten zu müssen.
Die Zeiten kratziger, austrocknender Seifenstücke sind vorbei. Moderne feste Kosmetik basiert auf hochentwickelten Formulierungen, die in ihrer Wirkung flüssigen Produkten in nichts nachstehen – oft sind sie sogar überlegen, da sie höher konzentriert sind. Der Schlüssel liegt in der Wahl der richtigen Produkttypen, die sich nahtlos in die tägliche Routine integrieren lassen.
Der Umstieg gelingt am einfachsten mit den folgenden drei Basisprodukten:
- Festes Shampoo (Syndet-Bar): Dies ist nicht zu verwechseln mit einer Haarseife. Ein „Syndet“ basiert auf milden, pH-neutralen Tensiden, genau wie flüssiges Shampoo. Es schäumt hervorragend, reinigt effektiv und erfordert keine „saure Rinse“ (eine Essig-Spülung), wie es bei echter Seife oft der Fall ist. Die Anwendung ist simpel: Den Bar kurz anfeuchten und direkt über das nasse Haar reiben oder in den Händen aufschäumen.
- Feste Duschbutter: Eine luxuriöse Alternative zum flüssigen Duschgel. Diese Produkte enthalten oft Kakaobutter oder Sheabutter und schmelzen bei Kontakt mit der Körperwärme. Sie reinigen nicht nur, sondern pflegen die Haut bereits während der Dusche intensiv, sodass ein anschließendes Eincremen oft überflüssig wird.
- Fester Conditioner: Die perfekte Ergänzung zum festen Shampoo. Ein fester Conditioner wird nach der Haarwäsche direkt über die nassen Längen und Spitzen gerieben. Er gibt eine kleine Menge hochkonzentrierter Pflegestoffe ab, die das Haar sofort entwirren und geschmeidig machen. Ein einziger Bar kann drei bis vier Flaschen flüssiger Spülung ersetzen.
Diese drei Produkte bilden ein komplettes Pflegesystem für Haare und Körper, sparen eine erhebliche Menge an Plastikverpackungen pro Jahr und sind zudem ideale, auslaufsichere Reisebegleiter. Sie sind der Beweis, dass Nachhaltigkeit und Komfort Hand in Hand gehen können.
Was passiert genau beim „Belaugen“ und ist Natronlauge gefährlich für den Magen?
Der Begriff „Belaugen“ sorgt oft für Verwirrung und unbegründete Ängste. Zunächst eine wichtige Klarstellung: Dieser Begriff stammt aus der Bäckerei, wo Laugengebäck wie Brezeln hergestellt wird. In der Kosmetik und insbesondere bei der Seifenherstellung ist der korrekte Fachbegriff die Verseifung (Saponifikation). Dieser chemische Prozess ist die Grundlage jeder echten Seife, sei es ein festes Stück oder eine flüssige Schmierseife.
Bei der Verseifung reagieren Fette und Öle (Triglyceride) mit einer Lauge, in der Regel Natriumhydroxid (Natronlauge, NaOH) für feste Seifen oder Kaliumhydroxid (KOH) für flüssige Seifen. Das Ergebnis dieser Reaktion ist zweigeteilt: Es entstehen die eigentlichen Seifenmoleküle (die Salze der Fettsäuren) und wertvolles, feuchtigkeitsspendendes Glycerin. Die chemische Formel lautet vereinfacht: Fett + Lauge → Seife + Glycerin. Die Lauge ist also ein notwendiger Reaktionspartner, der im Endprodukt chemisch umgewandelt wurde und nicht mehr in seiner freien, ätzenden Form existiert.
Ein entscheidender Qualitätsparameter bei handwerklich hergestellter Naturseife ist die sogenannte „Überfettung“. Seifensieder verwenden bewusst einen Überschuss an hochwertigen Ölen und Fetten (z.B. 5-10% mehr als zur vollständigen Verseifung der Lauge nötig wäre). Dies stellt zwei Dinge sicher: Erstens wird garantiert die gesamte Lauge verbraucht, und zweitens verbleiben unverseifte, pflegende Öle im fertigen Seifenstück, die die Haut vor dem Austrocknen schützen. Nach einer Reifezeit von vier bis sechs Wochen ist in einer korrekt hergestellten Seife keine freie Lauge mehr nachweisbar. Das Verschlucken eines kleinen Stücks fertiger Seife würde daher zwar zu Magen-Darm-Beschwerden führen, aber nicht zu den Verätzungen, die der Kontakt mit reiner Lauge verursachen würde.
Die Angst vor der Lauge ist also unbegründet, solange es sich um ein fertiges, fachmännisch hergestelltes Seifenprodukt handelt. Die Verseifung ist ein traditionelles, sicheres Verfahren, das uns eines der ältesten und natürlichsten Reinigungsmittel der Welt beschert.
Das Wichtigste in Kürze
- Vertrauen Sie nur zertifizierten Siegeln wie NATRUE oder BDIH, nicht vagen Marketing-Begriffen wie „natürlich“.
- Die Wirkstoffkonzentration und Rohstoffqualität rechtfertigen Preisunterschiede, nicht nur die Marke oder das Marketing.
- Richtige, kühle Lagerung und eine schrittweise Umstellung sind für den Erfolg und die Haltbarkeit von Naturkosmetik entscheidend.
Wie entlarven Sie „Greenwashing“ auf Kosmetikverpackungen in weniger als 30 Sekunden?
Sie haben nicht die Zeit oder die Muße, jede INCI-Liste mit einem Lexikon zu vergleichen. Das müssen Sie auch nicht. Mit einer systematischen Vorgehensweise, einer Art INCI-Detektivarbeit, können Sie in weniger als 30 Sekunden die Spreu vom Weizen trennen. Es geht darum, zu wissen, worauf man achten muss, und die verräterischen Signale schnell zu erkennen. Die Vorderseite der Verpackung ist dabei Ihr größter Feind – sie dient dem Marketing, nicht der Information.
Wenden Sie das Produkt und fokussieren Sie sich ausschließlich auf die Rückseite. Suchen Sie nicht nach einzelnen „guten“ Inhaltsstoffen, sondern nach den „schlechten“, die in zertifizierter Naturkosmetik verboten sind. Silikone (erkennbar an Endungen wie -cone, -xane), Paraffine (Paraffinum Liquidum, Petrolatum) oder bestimmte synthetische Konservierungsstoffe (Parabene) sind klare rote Flaggen. Da die Inhaltsstoffe nach ihrer Konzentration absteigend gelistet sind, verraten bereits die ersten fünf bis sieben Einträge fast alles über die wahre Natur des Produkts.
Ihr 30-Sekunden-Greenwashing-Check: Eine praktische Anleitung
- Schritt 1: Vorderseite ignorieren. Blenden Sie alle Werbeversprechen, Bilder von Pflanzen und Begriffe wie „natürlich“ oder „botanisch“ konsequent aus.
- Schritt 2: Nach Siegeln suchen. Scannen Sie die Rückseite nach einem offiziellen Siegel (NATRUE, BDIH, COSMOS, Demeter). Finden Sie eines, ist der Check beendet – Sie halten zertifizierte Naturkosmetik in der Hand.
- Schritt 3: Top 5 INCI prüfen (wenn kein Siegel vorhanden). Überfliegen Sie die ersten fünf Inhaltsstoffe. Tauchen hier Begriffe wie Paraffinum Liquidum, Dimethicone oder Namen mit der Endung -paraben auf, handelt es sich um Greenwashing.
- Schritt 4: Digitale Helfer nutzen. Bei Zweifel zücken Sie Ihr Smartphone. Apps wie CodeCheck oder ToxFox vom BUND ermöglichen einen schnellen Barcode-Scan und geben eine sofortige, farbcodierte Einschätzung der Inhaltsstoffe.
Diese Apps sind mächtige Werkzeuge im Kampf gegen irreführende Werbung. Wie die Redaktion von Inside Digital erklärt, ist die Handhabung denkbar einfach. Die App zeigt nach dem Scan eine klare Bewertung:
Die App CodeCheck zeigt nach dem Barcode-Scan eine Liste mit Inhaltsstoffen (INCI), die in verschiedene Kategorien unterteilt sind: unbedenklich, bedenklich und schwer abbaubar. Die Kategorien sind farblich eindeutig nach dem Ampelsystem markiert.
– Inside Digital Redaktion, Test der Inhaltsstoff-Check-Apps
Der ToxFox des BUND geht sogar noch einen Schritt weiter und ermöglicht es, Hersteller direkt bei bedenklichen Inhaltsstoffen zu konfrontieren, was den Druck auf die Industrie erhöht. Mit dieser Methode sind Sie nicht mehr auf die Versprechen der Hersteller angewiesen.
Mit diesem Wissen sind Sie nicht länger ein passiver Konsument, sondern ein mündiger Experte, der fundierte Entscheidungen trifft. Wenden Sie den 30-Sekunden-Check bei Ihrem nächsten Einkauf an und wählen Sie bewusst die Produkte, die Ihren Werten und den Bedürfnissen Ihrer Haut wirklich entsprechen.